14.03.2017

Zum (fahrlässig gutgläubigen) Erwerb eines Kraftfahrzeuges

Nachforschungspflichten des Erwerbers bei Auffälligkeiten in den Fahrzeugpapieren insbesondere bei vom Verkäufer abweichendem Halter

(Vergleiche OLG Hamm, Urteil vom 22.2.2016, Az. 5 U 110/15 – rechtskräftig)
 

Das Oberlandesgericht Hamm hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein privater Verkäufer seinen PKW an jemanden verkaufte, der unter dem Namen eines unbeteiligten Dritten auftrat und sich – angeblich aus Zeitgründen – bei der Fahrzeugbesichtigung und Abholung des PKWs durch einen Beauftragten vertreten ließ. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des privaten Verkäufers als Fahrzeughalterin eingetragen. Der Beauftragte des Käufers legte dem Verkäufer Personalausweis und Führerschein des angeblichen Käufers sowie eine Quittung einer Bank über die beauftragte Überweisung des vereinbarten Kaufpreises auf das Konto des Klägers vor und schloss mit dem Verkäufer, im Namen des angeblichen Käufers, den Kaufvertrag. In der – irrigen – Annahme, der Kaufpreis sei tatsächlich bezahlt, übergab der Verkäufer dem Beauftragten des Käufers das Fahrzeug, die Fahrzeugpapiere und die Fahrzeugschlüssel. Tatsächlich stellte sich heraus, dass die fragliche Quittung nicht echt war; den Kaufpreis erhielt der Verkäufer nicht. Der vorgelegte Personalausweis und Führerschein des angeblichen Käufers erwiesen sich im Weiteren als nachweislich verloren; der unbeteiligte Dritte, dem die Papiere ursprünglich gehörten, verweigerte die Zahlung des Kaufpreises.

Wenige Tage nach dem Verkauf wurde das fragliche Fahrzeug über ein Internetportal an den Beklagten des Rechtsstreites vor dem Oberlandesgericht Hamm verkauft, zu einem weit unter dem vereinbarten Kaufpreis des Erstverkaufs liegenden Preis. Der Verkäufer dieses Weiterverkaufs gab sich gegenüber dem Beklagten als gewerblicher Zwischenhändler aus. Die Besichtigung des Fahrzeugs erfolgte nicht zur ursprünglich vereinbarten Zeit an der vom Verkäufer angegebenen Anschrift. Vielmehr bot der Verkäufer kurz vor dem vereinbarten Termin, als der Beklagte sich bereits zur Besichtigung unterwegs befand an, dem Beklagten mit dem Fahrzeug entgegenzukommen. Die Besichtigung fand dann auf halbem Wege zwischen der Anschrift des Beklagten und des angeblichen Verkäufers statt. Das Fahrzeug wurde von dem Beklagten bar bezahlt und das Fahrzeug mit Fahrzeugpapieren und Fahrzeugschlüsseln an den Beklagten übergeben.

In der Folgezeit nahm der Beklagte, anhand der Eintragung in den Fahrzeugpapieren, Kontakt mit dem Kläger auf, da er dessen Unterstützung bei einer von ihm beabsichtigten Garantieverlängerung mit dem Volkswagen Versicherungsdienst benötigte. Hierdurch erhielt der Kläger Kenntnis von dem Weiterverkauf und dem Verbleib des Fahrzeuges. Er verlangte daraufhin von dem Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs und erhob schließlich Klage auf Herausgabe.

Das Oberlandesgericht verurteilte den Beklagten zur (entschädigungslosen) Herausgabe des von ihm erworbenen und bar bezahlten Fahrzeugs an den Kläger, da dieser nach wie vor Eigentümer sei. Bei dem Erstverkauf sei weder ein wirksamer Kaufvertrag noch eine Übereignung des Fahrzeugs zustandegekommen. Der dortige Verkäufer – der Kläger – habe mit dem vermeintlichen Käufer, dem unbeteiligten Dritten, dessen verlorene Identifikationspapiere missbraucht wurden, den Kaufantrag schließen und an diesen übereignen wollen. Da dieser tatsächlich in keiner Weise mit dem Geschäft in Verbindung stand, kam mit ihm aber eine Vereinbarung weder über den Kaufvertrag noch über die Übereignung des Fahrzeugs zu Stande.

Der Beklagte seinerseits habe keinerlei Rechtsgeschäft mit dem Kläger, dem ursprünglichen Eigentümer, geschlossen und habe dementsprechend von diesem auch kein Eigentum erwerben können.

Der Beklagte habe auch nicht gutgläubig von dem – nichtberechtigten – tatsächlichen Verkäufer des Weiterverkaufs das Eigentum erwerben können, denn ein gutgläubiger Erwerb scheitere, wenn dem Erwerber bekannt ist oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass der Verkäufer nicht Eigentümer des Kaufgegenstandes ist.

Das OLG Hamm sah hier grobe Fahrlässigkeit des Beklagten beim Erwerb des Fahrzeugs als gegeben an. Der Beklagte habe sich beim Erwerb jedenfalls die Zulassungsbescheinigung Teil II früher: Fahrzeugbrief zeigen lassen müssen. Tatsächlich seien ihm die Original-Fahrzeugpapiere auch vorgelegt worden. Aus diesen habe sich ergeben, dass der eingetragene Fahrzeughalter nicht mit dem Verkäufer identisch war. Alleine die Behauptung des Verkäufers ein gewerblicher Zwischenhändler zu sein entkräfte nicht den sich aus der Abweichung zwischen Verkäufer und Fahrzeughalter aufdrängenden Verdacht, dass der Verkäufer nicht Eigentümer sein könnte. Darüber hinaus hätten die konkreten Umstände des Verkaufes, die Angaben des Internetangebotes und der verwendete Kaufvertrag, gegen den Verkauf durch einen gewerblichen Händler gesprochen. Der Beklagte hätte daher in jedem Falle weitere Nachforschungen anstellen müssen, um sich von der Eigentumslage und gegebenenfalls der Verfügungsbefugnis des Veräußerers zu vergewissern. Da insoweit ein gutgläubiger Erwerb nicht zustandegekommen sei, sei das Eigentum bei dem Kläger als dem ursprünglichen Eigentümer verblieben.

Anmerkung:

Das Urteil des OLG Hamm ist juristisch nichts Neues, sondern bestätigt letztlich nur, dass ein gutgläubiger Erwerb niemals in Betracht kommt, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, welche dem Erwerber Anlass geben müssen die Eigentumslage und die Verfügungsberechtigung des Verkäufers in Frage zu stellen und zu überprüfen.

Das Urteil zeigt, dass es für jeden Gebrauchtwagenkäufer wichtig ist, sich die Original-Fahrzeugpapiere und hier insbesondere die Zulassungsbescheinigung Teil II (der frühere Fahrzeugbrief) vorlegen zu lassen. Besteht hiernach ein Unterschied zwischen dem Verkäufer und dem eingetragenen letzten Fahrzeughalter – und kauft man nicht gerade über einen renommierten Kraftfahrzeughändler und auf dessen Betriebsgelände – so ist es für den Erwerber immer angezeigt sich zunächst beim eingetragenen Halter weiter zu informieren. Drängt der Verkäufer sollte dies nicht Anlass dafür sein, derartige Zweifel zu verdrängen, sondern Ihnen erst recht nachzugehen, umso mehr wenn der Kaufpreis besonders günstig erscheint.

Generell gilt, dass der Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeugs immer gut beraten ist sowohl die Original-Fahrzeugpapiere, als auch die sonstigen Umstände des Verkaufes zu prüfen und kritisch zu hinterfragen und bei Anlass zu Zweifeln Kontakt mit dem letzten Halter aufzunehmen. Anderenfalls riskiert der Erwerber sich dem Vorwurf auszusetzen grob fahrlässig nicht gewusst zu haben, dass der Verkäufer überhaupt nicht zur Übertragung des Eigentums am Fahrzeug berechtigt ist, was den gutgläubigen Erwerb des Eigentums ausschließt.

An dieser Stelle soll aber auch deutlich gemacht werden, dass umgekehrt die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Fahrzeugbrief) – entgegen weitverbreiteter Ansicht – keine Eigentumsurkunde für ein Kraftfahrzeug darstellt. Sie ist im Grundsatz nicht mehr als ein verwaltungsrechtliches Dokument, welches etwa für die Ummeldung des Fahrzeugs auf einen neuen Halter benötigt wird. Alleine der Haltereintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil II ist daher noch kein absoluter Nachweis für das Eigentum desjenigen, der das Original der Zulassungsbescheinigung Teil II hat.

Die Zulassungsbescheinigung Teil II begründet aber, weil ohne sie eine Ummeldung nicht ohne weiteres erfolgen kann und weil deshalb der tatsächliche Eigentümer das Original üblicherweise bei sich unter Verschluss halten wird, eine Vermutung, dass derjenige, der dort als Halter eingetragen ist, wenn er zugleich das Original der Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen kann, wohl auch der Fahrzeugeigentümer ist. Soweit dann keine sonstigen erheblichen Umstände vorliegen, welche dies doch noch in Zweifel ziehen könnten, wird der Erwerber sich – bei Vorlage des Originals der Zulassungsbescheinigung Teil II durch den Veräußerer – meist